19.06.2018

Autofreier Raumgenuss beim Fahrradkino #7 in Hannover

In Hannover durften wir wieder etwas Wunderschönes erleben. Beim Straßenfest im JAMIEL-Kiez in Linden-Mitte hat sich Politisches und Persönliches in einem tollen Event vermischt. Denn dort hat sich eine relativ junge Nachbarschaftsinitiative gegründet, deren designiertes Ziel es ist, ihre Umgebung lebenswerter, aber auch zukunftsfähiger zu gestalten . Nachbar*innen verschönern und dekorieren nicht nur die Straßen, sondern  setzen sich auch für Verkehrsberuhigung bzw. Autosperrungen in ihrem Kiez ein.

Denn es gibt viele Dinge, die getan werden können, um sich gegen die destruktiven Realitäten der Welt zu stellen, so die Grundidee. Aber auch, dass es viele Ansätze gibt, um etwas zu verändern, die nicht nur Verzicht bedeuten, sondern auch Bereicherung.

Deshalb hat die Initiative zunächst einmal das Straßenfest auf die Beine gestellt. So können sich Nachbar*innen und Gleichgesinnte kennenlernen und gemeinsam Ideen sammeln.

Die drei Straßen Eleonorenstraße, Minister-Stüve-Straße und Jacobstraße wurden am Tag des Festes für Autos gesperrt, alles wunderbar geschmückt und jede Menge Essen vorbereitet und überall auf Tischen ausgebreitet. Die Straßen luden ein; zum Beisammensitzen, um sich mit Bekannten zu unterhalten oder Unbekannte kennenzulernen.

Ein langfristiger Traum vieler Anwohner*innen wäre, dass die Straßen des Kiezes dauerhaft für Autos gesperrt würden. Denn wären nicht alle Autoparkplätze direkt vor der Haustür, sondern 10 Minuten entfernt, würde man es sich drei Mal überlegen, ob man nicht lieber doch das Rad nehmen will. Dann wäre es auch plausibler, sich nicht ein Auto alleine zu leisten, sondern eines mit mehreren Leuten zu teilen. Kinder und alte Menschen könnten sich sicherer bewegen und hätten so auch mehr Freiraum. „Und da fange der dringend notwendige Wandel an!“, meint Andreas, einer der Organisatoren.

Viele Bewohner*innen Lindens stehen der Initiative jedoch auch kritisch gegenüber. Sie werfen ihr Gentrifizierung vor und haben Angst vor einer Steigerung der Mietpreise. Sie argumentieren: Je mehr Müll rumliege, desto günstiger die Mieten. Eine große Hoffnung der Initiator*innen ist es, dass auch diese Stimmen gehört, die Kritik ernst genommen und in das gemeinschaftliche Handeln integriert werden können, so Olli Thiele, einer der Veranstalter. Denn auch gegen Mieterhöhungen und Enteignung durch Inverstor*innen könne man in der Gemeinschaft und mit guter Vernetzung besser vorgehen als alleine und isoliert.

Auf dem Straßenfest gab es viel zu erleben: ein Live-Straßenkonzert, diverse Straßen- Schachfelder, Urban Gardening und werkeln mit Transition Town Hannover, Skateboard Rampen, Yoga auf der Straße und Lastenräder zum Probefahren. Dazu noch Diskussionen über die mögliche Zukunft von Linden und natürlich  der KLAK-T-Shirt-Siebdruck sowie abends das Fahrradkino!

Sehr sichtbar an diesem Tag waren die Kinder. Auch sie konnten sich kennenlernen und überall spielen, auf Rollern und Skateboards fahren und einfach wild sein. Irgendwann abends lag der Sohn von Olli auf seinem Skateboard mitten auf der Straße, mit den Kopf auf seinem Fußball gebettet und schien einzuschlafen. Als Olli zu ihm hinging und sagte: „Mein Schatz, du bist doch ganz müde, wollen wir mal nach Hause gehen?“, sagte er: „Aber Papa, wir sind doch zu Hause.“

Und genau darum geht es!